Sonntag, 11. Januar 2015

Vom Eis verschluckt. Zeitungsartikel/Grönland aus der NOZ von Anke Schneider

Von Eis verschluckt - Grönland

Dissener Dennis Hartke führt Reisende durch Grönland  


Outdoorguide: Dennis Hartke aus Dissen führt Menschen an die Ostküste Grönlands. Foto: Anke SchneiderOutdoorguide: Dennis Hartke aus Dissen führt Menschen an die Ostküste Grönlands. Foto: Anke Schneider
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Dissen. Wer im Sommer in den Urlaub fährt, der möchte Sonne, Sand und Meer. Ganz anders Dennis Hartke aus Dissen: Ihn zieht es im Juli und August in die Arktis – zu den Eisbergen, den Gletschern und den Buckelwalen. „Hier ist man komplett verschwunden von der Bildfläche der Welt“, sagt der 31-Jährige.
Dennis Hartke ist als Reiseleiter für das Stuttgarter Reiseunternehmen „Travel and Personality“ tätig und ist in dieser Eigenschaft schon viel herumgekommen. Im vergangenen Jahr führte er zum ersten Mal eine Gruppe Erlebnisreisender nach Grönland. „Wir fahren nur im Sommer, das heißt im Juli und August“, sagt der 31-Jährige. Dann seien zumindest die Uferstreifen grün und tagsüber gebe es auch schon mal 18 Grad. Während der übrigen Monate hätten Schnee und Eis den gesamten Nordpol fest im Griff und es sei oft bis zu minus 40 Grad kalt.
Die Reise geht meist über zwei Wochen und führt die Gruppe an die Ostküste Grönlands. „Das ist die echte Seite Grönlands“, sagt Hartke. An der Westküste gebe es Hotels, Straßen und auch Einkaufzentren. Das gibt es im Osten alles nicht. „Hier leben die Ureinwohner, die Inuit, als Jäger und Fischer. Dort gibt es nichts außer hundert Prozent Natur, fernab von jeder Infrastruktur“, sagt der 31-jährige Dissener. Keine Autos, kein Handynetz, keine Geschäfte und kein Geld, um etwas zu kaufen. „Was am Anfang wirklich ungewohnt ist, ist die absolute Stille“, so Hartke weiter. In Grönland werde man von der Welt einfach verschluckt.



Mit leuchtenden Augen beschreibt Dennis Hartke, wie ihn dieses einzigartige Stück Erde gepackt hat. „Das ist ein Eindruck, der sich einbrennt“, sagt er. Der Tourguide ist sicher, dass die Menschen, die Grönland kennengelernt haben, nachher nicht die gleichen sind, als vorher. „Dort gibt es wirklich nichts und es wird einem bewusst, wie wenig man eigentlich braucht“, sagt Hartke. Und gerade weil es nichts gebe, gebe es unter den Ureinwohnern auch keinen Neid, keine Missgunst und keine Gier. „Die Inuit nehmen auch Fremde ohne Vorbehalte auf. Jeden so, wie er ist.“
Dennis Hartke berichtet, dass die Reisegruppe über Island zunächst nach Kulusuk fliegt. Der Ort hat zwar nur 280 Einwohner, ist aber zentraler Ort für den Flugverkehr. Von Kulusuk aus geht es weiter nach Tasilaq, mit 2000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt an der Ostküste. Hier lebt auch Extremsportler, Bergsteiger und -führer Robert Peroni, mit dem das Stuttgarter Reiseunternehmen zusammearbeitet. Peroni betreibt seit den 1990er Jahren das Hotel „Rotes Haus“, in dem er ausschließlich Einheimische beschäftigt. Er verfolgt mit seinem Hotel die Ziele, einerseits einen umweltverträglichen Tourismus zu schaffen und andererseits die Kultur der Inuit zu bewahren, indem er den jungen Einheimischen Arbeit und damit eine Lebens- und Zukunfts-Perspektive gibt.
Von Tasilaq aus macht sie die Gruppe dann zufuß auf in die Einsamkeit der größten Insel der Welt. Ausgerüstet mit einem Satelitentelefon, Leuchtraketen und einer Flinte für den Fall, dass ein Eisbär den Weg der Gruppe kreuzt, besuchen die Reisenden verschiedene Gletscher, Fjorde und Bergwelten. Übernachtet wird in Zelten in der freien Natur.
Vor jeder Reise bekommen die Gäste eine Einweisung in die Gefahren der Eiswelt. „Die Leute müssen wissen, dass sie innerhalb von drei Minuten tot sind, wenn sie hier ins Wasser fallen“, sagt Dennis Hartke. Auch auf die höchst seltene Begegnung mit dem Eisbären werden die Abenteuer hingewiesen. „Da der Eisbär ein Einzelgänger in der Stille der Arktis ist, lässt er sich normalerweise durch Lärm, Schüsse oder Feuer leicht vertreiben“, so der Dissener. Ihm selbst sei noch nie ein Eisbär begegnet. „Sie sind der weißen Umgebung aber auch nur schwer zu erkennen.“.
Dennis Hartke berichtet auch von vielen „magischen Momenten“, die er bisher auf jeder seiner Touren in Grönland erlebt hat. Er beschreibt bizarre Eiswelten, erzählt von Begegnungen mit Buckelwalen und berichtet von schwimmenden Eisbergen vor Grönland, die er „den größten Skulpturenpark der Erde“ nennt. Er beschreibt den Augenblick, wenn ein Gletscher „kalbt“ und damit seine Macht, aber auch sein Sterben demonstriert – und schwärmt von Bootsfahrten auf azurblauem Wasser. Dem Wanderführer fällt es leicht, in seiner Reisegruppe Begeisterung für Grönland zu wecken, weil er selbst von der Insel gefangen ist. „Man steht vor etwas, was man sich nicht erklären kann“, sagt der Dissener. Vor einer Natur, deren Schönheit nahezu jeden packt und die es sonst nirgendwo gibt. „In Grönland gibt es nichts anderes als 100 Prozent“, versucht der 31-Jährige, die Perfektheit der Arktis in Worte zu fassen.
Grönland sei ein Abenteuer, ein „Spielplatz für Helden“, auch für Reisende. „Viele erfüllen sich damit einen Kindheitstraum“, so Hartke. Die Nachfragen nach Reisen in die Arktis steigen spürbar an, hat der Dissener festgestellt. Wohl auch, weil ein Besuch der Insel das wohl krasseste Gegenteil zu der immer hektischer werdenden Welt ist, das man sich vorstellen kann. Ihm selbst bereitet es große Freude, den Reisenden die Schönheit dieser Eiswelt zu zeigen. „Damit sie erkennen, wie schützenswert sie ist“, sagt Hartke. Interessant sei, zu beobachten, was mit der Reisegruppe geschehe, wenn die Arktis sie wieder ausgespuckt hat – direkt auf den Flughafen von Hamburg, München oder Berlin. „Ihr Blick auf die Welt ist ein anderer“, sagt Hartke. Im selbst sei es ganz genauso gegangen.

Anke Schneider, NOZ

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