"Als Reiseleiter habe ich Grönland schon mehrfach im Sommer bereist
und bin immer begeistert zurückgekehrt. Diese unglaublich wilde
Landschaft hat eine große Anziehung für mich. Die Weite, das
omnipräsente Meer, das Kalben der eindrucksvollen Gletscher.
Wahnsinn. Ich habe die Herzlichkeit der Inuit zu schätzen gelernt
und bin stets gerührt, weil ich wieder und wieder mit offenen Armen
empfangen wurde.
Die Begeisterung für diesen Flecken Erde führt endlich auch zur
Planung und Realisierung einer Winterreise nach Tasiilaq.
Aufregend war es schon im Vorfeld, als ich die zusätzliche
Winterausrüstung besorgt habe. Man wusste ja, es kann auch mal kalt
werden ...
Die Aufregung nahm zu, als es endlich los ging. Zunächst Flug über
Kopenhagen nach Keflavik. Dann sollte es weiter gehen von Reykjavik
über Kulusuk nach Ort der Sehnsucht - nach Tasiilaq. Doch Stürme
über Island verzögerten bereits den Anflug auf Island und
verhinderten gar am nächsten Tag den Weiterflug nach Grönland. Was
tun? Die Stimmung wollte nicht richtig ansteigen, Reykjavik ist ein
toller Platz, doch wer wilde Natur und meterhohen Schnee im Kopf
hat, ist nur begrenzt aufnahmefähig für die zweifelsfreien
Schönheiten von Island. Es sollten zwei zähe Tage werden, die wir
mit Ausflügen zum Meer und Besichtigungen in Keflavik gestalten
konnten. Der Sonntag wäre zwar ein ruhiger Flugtag gewesen, doch in
Kulusuk hatten sie einfach dienstfrei … auch mal was…
Am Montag stieg nun die Spannung, ein Anruf am
Morgen – zwischen Hoffen und Bangen – gab uns grünes Licht.
Endlich, Koffer ins Auto und auf zum Flughafen, der Flug sollte
zur Mittagszeit starten. Am Flughafen angekommen trafen wir auf
andere „Gestrandete“. Es gab noch andere Gruppen, die sich auf
dieses Erlebnis gefreut hatten und ebenso wie wir ausharren
mussten. So erfuhrt vom Reiseleiter einer französischen Gruppe,
dass sie bereits eine Woche in Island festsaßen und nun endlich
starten konnten. Wahnsinn, und wir waren schon nervös, als uns
zwei Tage Wartezeit „aufgebrummt“ wurden. Aber jetzt waren wir
alle extrem euphorisch, wussten unser Glück zu schätzen, wenn man
bedenkt, dass es sogar Gruppen gab, die leider ihre Reise komplett
absagen mussten, nachdem ihre Flüge abgesagt wurden … da waren wir
ja richtige Glückskinder …
Endlich ging es los, das Wetter spielte mit und
die Begeisterung war riesig als wir uns der Küste von Ostgrönland
näherten, wo die Sonne bereits die Landschaft und die
Packeisformation in glänzendes Licht getaucht hatte. Welche ein
Ausblick, wir waren ergriffen von der Schönheit. Nur noch einen
Moment Geduld, dann setzten wir auf. Hurra, wir waren schließlich
gelandet. Allerdings wurden wir noch einmal auf die Probe
gestellt, da sämtliche Weiterflüge mit dem Hubschrauber
durcheinander gewirbelt waren. Alle Buchungen wurden neu
aufgesetzt und so kamen wir mit dem Großteil unserer 8-köpfige
Gruppe erst um 18h in Tasiilaq an, aber alles Warten hatte sich
gelohnt. Der Ort zeigte sich von einer wunderbaren Seite, rötlich
gefärbter Abendhimmel beschien die Bühne für unsere noch kommenden
Exkursionen.
Bei der Ankunft im Roten Haus wartete Robert
Peroni, der Leiter des Hauses, schon sehnsüchtig auf uns. Das
erste Abendessen war ein Genuss und ließ das vielbeschworene
„Cross-over“ von grönländischer und südtiroler Küche auf aller
Zungen wahr werden. Robbe, die hier von den Jägern noch gejagt
werden darf, und leichtes Gemüse mit Reis … vorzüglich. Wir
genossen das Zusammensein und waren nochmal hellwach als wir am
ersten Abend für einen kurzen Moment schon zu Polarlicht-Jägern
wurden. Der rechte Erfolg wollte sich noch nicht einstellen, bei
unserem Bemühen, das Spektakel am aktischen Nachthimmel
fotografisch einzufangen. Doch es sollten noch imposante
Erscheinungen geben, die alle Gäste im Haus verzückt ins Bett
fallen ließen.
Am nächsten Tag ging es zum ersten Mal auf
Wanderung. Wir sammelten uns nach dem Frühstück und „kämpften“ uns
durch die Vielzahl von Möglichkeiten, das richtige Paar von
Schneeschuhen unterzuschnallen. Dann ging es los, der Polarstrom
war unser Ziel und als wir ihn erreichten, stach ein mächtiger
Eisberg ins Auge, der sich in die Einfahrt zum Kong Oscar Fjord
gelegt hatte und einer Trutzburg gleich den Zugang fast
vollständig versperrte. Grandios diese Aussicht und das Erlebnis,
der Natur nun so nah sein zu können. Wir ließen es am Nachmittag
langsam angehen und frönten Kaffee und Eis in „Gerdas“ kleiner
Kaffeestube, die mehr einem „Tante Emma Laden“ gleicht. Gerda ist
mal ein Mann gewesen und tritt heute in Frauenkleidern vor ihre
Gäste. Ihre Heimat ist Dänemark, wo man mit solchen Lebenswegen
sehr entspannt umgeht, die Inuit mussten sich erst an sie
gewöhnen. Heute ist sich jedoch nicht mehr vom Ort wegzudenken und
ist stets ein Quell von höflicher und zuvorkommender Art. Zudem
kümmert sie sich um Kinder aus schwierigen Familien. In Grönland
keine geringe Anzahl und eine nie enden werdende Arbeit, um
helfend zu wirken.
Wir freuen uns schon auf das Abendessen und
erst recht auf die nahende Dunkelheit, denn unser Interesse an
Polarlichtern war enorm. Wir wurden fündig und es wurden schon
bessere Aufnahmen, als eine Nacht zuvor. Doch so richtig zufrieden
waren wir noch nicht.
Der nächste Tag war einem Ausflug mit
Hundeschlitten vorbehalten. „Zieht Euch warm an,“ hieß es schon
vorher. Und es war auch bitter nötig. Wir zogen dick angezogen
durch den Ort und schwitzten schon fast wieder, als wir am
Startpunkt ankamen. Vier Gespanne mit je 10-14 Hunden warteten
schon ungeduldig auf uns. Die Hunde mussten man nicht erst
motivieren. Die Grönlandhunde sind wahre Laufwunder und zogen uns,
den Führer und je zwei Gäste, über den eisbepackten Fjord hinüber
zu einem Tal mit weitläufigen See. Wir fuhren gut 1 ½ Stunden bis
zum Ende des Sees und waren froh über diesen Stopp. Der kalte Wind
stieb ins Gesicht und die Füße waren dankbar für Bewegung, auch
wenn das gewählte Schuhwerk für echte Minustemperaturen ausgelegt
war. Es gab Tee und auch die Hunde bekamen Ihre Zuwendung,
insbesondere von uns, denn wer möchte nicht mal so einen knuffigen
Grönlandhund kraulen. Ein Gespann war schon vor der Rückfahrt in
Alarmbereitschaft und jagte los, fast ohne den Führer … der im
letzten Moment noch das Seil einfangen konnte und erst scheinbar
hilflos weggezogen wurde, bis er schließlich den Schlitten zum
Stehen brachte. Glück gehabt … wir malten uns schon aus, wo wir
ihn wiedertreffen würden. Es war eine genüssliche Heimfahrt und
wir ließen die Winterlandschaft erneut langsam an uns
vorbeiziehen, immer begleitet von dem guten Zurufen des Mashers,
der seine Hunde damit antrieb.
Nach der Rückkehr waren wir etwas ausgekühlt,
aber dennoch glücklich über diese tolle Fahrt. Die Sauna ließ am
Abend den Körper wieder auftanken, die Polarlichter ließen diesmal
auf sich warten, verdeckt war diesmal die Sicht durch die Wolken.
Aber es sollte noch werden.
Für den drauffolgenden Tag hatten wir uns
vorgenommen, den Fjord leer zu fischen und mit reicher Beute
heimzukehren. Wir schnappten uns Viggo, der uns im Sommer als
Bootsführer zur Seite steht, und der uns jetzt das Eisfischen
beibringen wollte. Es war für ihn und uns ein glückloses
Unterfangen. Weder konnten wir an den Löchern, die wir ins Eis des
Fjords schlugen wahre Beute machen, noch konnten wir länger am
Eisloch ausharren, wie die Inuit es jederzeit schaffen. Diese
stoische Ruhe ist uns an dieser Stelle nicht gegeben, leicht
fröstelnd mussten wir alsbald abbrechen. Es war uns klar, dass wir
in früheren Tagen wohl oder übel mit leerem Magen ins Bett
gefallen werden. Die Ehrfurcht vor der Gelassenheit und
Zielstrebigkeit der Einheimischen, in dieser oft so
menschenfeindlichen Umgebung zu überleben, war schon wieder
gewachsen. Wir zogen mit unserer Ausrüstung nahe der Eiskante heim
und erklommen in einer kleinen Bucht wieder das Land. Nachdem wir
tagsüber schon keine Meeresfrüchte einheimsen konnten, kredenzte
uns die Küche abends Leckereien aus dem Meer, diesmal war es
Dorade, wie köstlich. Und dann hatte das Polarlicht seinen großen
Auftritt. Der Himmel war in dieser Nacht sternenklar und es wurde
überwältigend. Jeder im Haus war ergriffen von dem Farbspiel am
Firmament, die Objektive der hervorgeholten Kameras zuckten in der
Dunkelheit und ergriffen konnten sich unsere Augen nicht lösen von
der Brillianz, die uns auch mit bloßem Auge staunen ließ. Ganze
Serien wurden geschossen und anschließend die Adressen
ausgetauscht, um die schönsten Eindrücke mitteilen zu können. Als
hätten wir es geahnt, hatten wir bereits zuvor nach dem Abendessen
noch Berichte gelesen, wie wir das Licht am besten einfangen
könnten, wie die Kamera einzustellen sei. Ein Wink des Schicksals
folgend, saugten wir die Information auf, um sie dann einige Zeit
später tatsächlich in die Tat umsetzen zu können. Dank modernster
Technik wussten wir bereits um die Qualität unserer Aufnahmen und
konnten somit besonders selig einschlafen.
Unser letzter Tag in Tasiilaq – das Wetter
schlug nochmal Kapriolen. Nach einem harmlosen Start in den Tag
kamen kräftige Winde auf und ließen unsere Schneeschuhtour ins
Blumental zu einer kleine Expedition werden. Die Natur zeigte uns
ihre kalte Schulter – sollten wir doch morgen ruhig heimfahren,
wir sollten nochmal spüren, was sie davon hielt. Schnee fegte uns
ins Gesicht, die Brillen beschlugen, ein Vorwärtskommen unmöglich
gemacht. So kämpften wir uns zurück in den Ort und verkrochen uns
stattdessen im historischen Museum, dass vor einiger Zeit in der
alten Kirche untergebracht wurde. Erik, der Leiter des Museum,
erzählte uns mit großer Leidenschaft von der früheren Besiedlung
und den folgenden Auswüchsen in dieser abgelegenen Region, die er
manchmal auch, ob der zahlreichen Schwierigkeiten, „arktisch
Afrika“ nennt, nicht ohne die Ironie in der Stimme erkennen zu
lassen. Trotz oft verspürter Verzweiflung konnte er seinen Ort
dennoch nicht verlassen, er hängt an „seinem“ Museum.
Wir schoben bald heim. Robert Peroni hatte
versprochen, Anta Kouidze einzuladen, einen Schamanen der alten
Schule. Er war am Nachmittag im Roten Haus und führte einen Tanz
auf, der früher zwischen zwei Kontrahenten einen Zwist ausräumen
sollte. Wer das Publikum am intensivsten zum Lachen bewegen
konnte, gewann den besonderen „Zweikampf“. Sepp, ein weiterer
Reiseleiter, durfte den Kontrahenten mimen – Anta und wir hatten
unsere große Freude daran. Wer gewann? Nicht schwer zu erraten,
oder? :-) Auch
die Damenwelt war begeistert, weil sie Anta in besonders
flirtender Weise in das Spiel mit einbezog. Es war ein schöner
Ausklang unserer Tage hier in Tasiilaq.
War dieser Tag noch stürmisch und der Himmel
zugezogen, was auch die Ängste schürte, eventuell Probleme beim
Rückflug zu haben, so „brannte“ am folgenden Tag die Sonne wieder
von oben, strahlendblau war der Himmel. Dennoch stand die Abreise
auf wackligen Füßen, denn in Island waren wieder schlechte
Bedingungen, die Flieger kamen nicht zu uns nach Grönland.
Aber wir hatten alle Glück und konnten am
Nachmittag in zwei Schüben wohlbehalten nach Island zurückkehren.
Mit einem kurzem Aufenthalt auf der Insel des Feuers endete
anschließend unsere Reise.
Trotz der Kürze waren es großartige und
intensive Tage in Tasiilaq und wir alle wissen eins … wir werden
wiederkommen, ob im Sommer oder Winter. Wir sind schon längst
infiziert von diesem wunderbaren Flecken Erde!"
Infos zur Reise: http://www.travel-and-personality.de/Groenland/erlebnisreisen/gr%C3%B6nland%20winter/GROWI
Alle Fotos: Mario Hecktor