Moderne Städte ragen zwischen 5000m
Bergen empor. Eingerahmt von Schluchten, erfüllt von den Klängen
hallender Stimmen, Tänzen und Gesang. In den Ebenen vor den Toren
der Städte tobt die Wildheit in ihrer vollen Größe. Zwischen dem
kleinen Kaukasus, den funktionalistischen Bauten und orthodoxen
Kirchen dort schlägt das Herz der Menschen Georgiens auf und ab, wie
unser Blick von diesem Balkon Europas.
3500km entfernt landen wir in Tiflis,
der Hauptstadt.
Die 4,5mio Menschen die hier leben
verteilen sich auf eine angenehme Fläche, das Gewusel bleibt aus,
genau wie der Touristenansturm. Ich liebe Reisen in Länder, die
nicht vom ersten toursitischen Blick gefangen werden. Hier ist die
Kindlichkeit in unseren Entdeckungen noch deutlich zu spüren. Nichts
ist geregelt, alles ergibt sich von alleine und unsere Fragen werden
sich während der Reise von selber lösen. Georgien ist ein Land,
welches für viele Menschen auf der Liste steht, wenn sie sonst schon
alles gesehen haben. Niemand unternimmt eine spontane Reise hierher
und um ehrlich zu sein, ich auch nicht.
Doch unsere Augen erblicken nicht
etwas, was niemand zuvor gesehen hätte. Wir sehen eine kultivierte
Metropole auf dem Vormarsch zwischen futuristischen Bauten und
verkommenen Altstadtgassen zu dessen Erneuerung das Geld fehlt. Wir
sehen modisch gekleidete Städter, die im geschäftigen Treiben sich
in den Häuserschluchten verlieren.
Es ist ein Schock. So dachten wir doch,
dass wir so weit weg von unserem allmächtigen Europa eine veraltete
Welt antreffen würden. Obwohl wir eigentlich unser Glück mehr
schätzen sollten, immerhin war Georgien in Kriege verwickelt, konnte
über Flüchtlinge nicht klagen und jetzt, da dies alles der
Vergangenheit angehört, kommen endlich die Touristen. Mit einer
solchen modernen Gewalt hätten wir jedoch nicht gerechnet.
Doch wer den ersten Blick auf seine
gesamte Reise verschwendet, der wird den Blick fürs Detail
verlieren!
Bei einem Gang durch die Altstadt
öffnet sich das wahre Gesicht. Der Beton weicht den Schluchten. Ein
riesiger Canyon zieht sich mitten durch die Stadt, die alten Häuser
laden mit ihren bröckelnden Fassaden zu einem nostalgischen Plausch
ein und die Schwaden der dampfenden heissen Quellen geben der Stadt
ihren Namen: Tiflis – der warme Ort!
So eng lebt die Moderne mit der
Geschichte und Natur hier zusammen. Es ist ein Schauspiel, welches
man nirgendwo sonst auf der Welt findet.
Zwischen alten Messerschmieden und
traditionellen Tanzkursen finden wir Ideen für unsere weiteren
Unternehmungen.
Mit unserem Auto geht es hinaus aus der
Stadt. Wir verlassen die Hauptstadt und wollen das Land erkunden.
Sofort wird klar: Hier scheinen die Fahrtstrecken kurz, sie werden
jedoch unheimlich schnell gebremst. Als ob das Land uns ein Zeichen
gibt und uns sagt: „Beruhigt eure Herzen, schafft mehr Platz für
die Kleinigkeiten der Welt!“
Sofort stoppen uns riesige Herden von
Schafen mit ihren Schäfern, die nicht im Traum daran denken für
Platz zu schaffen. Die Autos reihen sich auf. Schafstau in Georgien.
Nach der Wollbarriere dachte wir uns nun entspannt auf die Fahrt zu
begeben, doch wieder die Straße blockiert. Einige Händler ziehen
mit ihren Eseln durchs Land. Von Stand zu Stand wird gewandert, der
Esel dafür als treuer Gefährte beladen und so erhofft sich der
kleine Mann des Staates das er vielleicht einige seiner
selbstgemachten „Georgischen Snickers“ (wie er sie scherzhaft
nennt), zu verkaufen. Bei uns kommt diese Idee sehr gut an. Die
Süßigkeit ist fabelhaft und eigentliche eine getrocknete Traube mit
Wahlnussfüllung. Schnell geben wir ihm einige Lari (Währung) und
machen uns weiter auf den Weg. Beim dritten Versuch klappt die
Anfahrt über die Herrstraße bis hinauf zur Smida Zameba, eine der
vielen Kuppelkirchen dieses Landes. Die alte Truppenstraße aus 1863
verlassen, öffnet sich der unendliche Blick in die Bergwelt
Georgiens. Der Kasbek als einer der höchsten Berge des Landes ragt
gut 5000m empor und lässt alle Stimmen verstummen. Wir lauschen der
Leere und erblicken in diesem Bergpanorama die quadratische,
georgisch-orthodoxe Kirche. Die Kirche stammt aus dem 14 Jahrhundert,
die Christianisierung erfolgte bereits im 4ten Jahrhundert. Doch
aller Geschichte Willen... es ist uns egal, denn die Berge und die
Umgebung fesseln uns uns berauben uns unseres Verstandes. Der Kasbeg
wurde das erste Mal in 1868 bestiegen, doch was die Bergsteiger
fanden war nicht laut der Legende Prometheus, sonder Erleuchtung. So
schnell die Sicht uns bezaubert, so schnell wechselt das Wetter.
Wir steigen in unser Auto und fahren
weiter.
Die Fahrt entwickelt sich als quälend
lang, wenn man sie an der Zeit misst, doch die Ausblicke lassen uns
die vielen Kilometer auf Asphalt und Schotter vergessen. Wir nehmen
jeder Reise, wie sie kommt und nur durch die Länge des Weges, können
wir die Reise spüren.
Auf dem Weg in den Bodschomi
Nationalpark, wo wir einige Wanderungen unternehmen wollen, halten
wir an einer kleinen Unterkunft. Wir sind zu müde um alles an einem
Tag zu schaffen. Unser Reiseleiter kennt das Land genau und er weiss,
wo es gutes Essen gibt.
Wein wird in Georgien seit 5000 Jahren
angebaut. Noch heute lebt jeder Landwirt von seiner eigenen
Weinproduktion. Und täglich wird Wein zu jedem Essen getrunken. Fast
könnte man meinen man ist in Frankreich, so sehr zelebrieren die
Georgier ihre Mahlzeiten. Alle sitzen zusammen, feiern mit uns den
Moment, das soziale Erlebnis. Essen ist auch hier ein Kulturgut.
Diese Nacht schlafen wir tief und
träumen nichts.
Es ist ein wohltuend gutes Gefühl
morgens mit einem ausgeglichenen Geist zu erwachen.
Unser Weg zieht sich in den 85000
Hektar großen Bodschomi Nationalpark. Wir erleben hier die Natur
Georgiens. Urlandschaft mit wilden Tieren. Braunbären wie Wölfe
sind hier die Herrscher des kleinen Kaukasus. Nur wenige Plätze
erscheinen heute noch intakt. Dieser Nationalpark ist ein Beweis der
gesunden Natur. Um so tiefer wir diesen Park bereisen, desto mehr wir
die Welt gehend erleben, empfinden wir die Entfernung zu Europa nun
als angenehm. Nichts wird nebensächlicher als das Leben der Städter.
Wie können so viele Menschen nur dem vom Menschen Gemachten
verfallen und in der Sicherheit jeder Stadt faulenzen, wenn der
Mensch doch hier, aus so einer Landschaft ursprünglich herkommt.
Viele haben den Blick für so eine Kulisse bereits verloren, wiegen
sich in täglichen Bildern, die uns im TV gezeigt werden, doch würden
sie nur einmal so eine Reise unternehmen, ich glaube sie würden
ihren Lebensinhalt nochmals hinterfragen.
Mit jedem Schritt erleben wir wie mit
den Augen eines Kindes. Wir können noch so gebildet erscheinen, so
zwingt uns die Sprachlosigkeit immer wieder in die Knie. Keine ist
hier vor der gewaltigen Schönheit der Natur sicher.
Unsere Reise zieht sich dahin und zum
ersten Mal erleben wir ein Gefühl der Ankunft in uns. Georgien
könnten uns nun in Zeit und Raum verschlucken, wir würden es nicht
mal bemerken.
Wie schnell doch meine Worte wieder
verstummen. Wir fahren nach unseren Wanderungen weiter durchs Land.
Wieder versperren uns Schafe und Esel den Weg, wieder machen sie nur
widerwillig Platz mit dem ständigen Lächeln der Hirten im Gesicht.
Uns bleibt nichts anderes übrig, als ebenfalls zu lächeln.
In Uplisziche kommen wir nun doch
wieder in Berührung mit einer Stadt. Aber keiner Gewöhnlichen. Es
ist eine Höhlenstadt aus der Bronzezeit die im 13 Jahrhundert von
den Mongolen überfallen wurde. Es gab einen Markt, eine Apotheke,
Bäckereien, Lagerhäuser, mächtige Säulen und dies alles in Felsen
geschlagen. Ein wahres Spektakel der frühzeitlichen Baukunst. Und
von diesen Städten gibt es noch mehr.
Die Tage verschwimmen in einander.
Keiner von uns denkt mehr an die Heimat. Die Ferne und Georgien sind
nun unser Zuhause geworden. Hier vom Balkon Europas blicken wir in
ein unverfälschtes, ursprüngliches Land, welches mit jedem Tag
seinen Besuchern vermittelt an einem einmaligen Ort angekommen zu
sein.
Mehr Informationen: http://www.travel-and-personality.de/Georgien/erlebnisreisen/die-nahtstelle-eurasiens-entdecken/GEOR
Foto: Fotolia
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