Montag, 20. April 2015

Georgien – Das Lächeln zwischen Orient und Okzident (Reisebericht)

Moderne Städte ragen zwischen 5000m Bergen empor. Eingerahmt von Schluchten, erfüllt von den Klängen hallender Stimmen, Tänzen und Gesang. In den Ebenen vor den Toren der Städte tobt die Wildheit in ihrer vollen Größe. Zwischen dem kleinen Kaukasus, den funktionalistischen Bauten und orthodoxen Kirchen dort schlägt das Herz der Menschen Georgiens auf und ab, wie unser Blick von diesem Balkon Europas.

3500km entfernt landen wir in Tiflis, der Hauptstadt.
Die 4,5mio Menschen die hier leben verteilen sich auf eine angenehme Fläche, das Gewusel bleibt aus, genau wie der Touristenansturm. Ich liebe Reisen in Länder, die nicht vom ersten toursitischen Blick gefangen werden. Hier ist die Kindlichkeit in unseren Entdeckungen noch deutlich zu spüren. Nichts ist geregelt, alles ergibt sich von alleine und unsere Fragen werden sich während der Reise von selber lösen. Georgien ist ein Land, welches für viele Menschen auf der Liste steht, wenn sie sonst schon alles gesehen haben. Niemand unternimmt eine spontane Reise hierher und um ehrlich zu sein, ich auch nicht.
Doch unsere Augen erblicken nicht etwas, was niemand zuvor gesehen hätte. Wir sehen eine kultivierte Metropole auf dem Vormarsch zwischen futuristischen Bauten und verkommenen Altstadtgassen zu dessen Erneuerung das Geld fehlt. Wir sehen modisch gekleidete Städter, die im geschäftigen Treiben sich in den Häuserschluchten verlieren.
Es ist ein Schock. So dachten wir doch, dass wir so weit weg von unserem allmächtigen Europa eine veraltete Welt antreffen würden. Obwohl wir eigentlich unser Glück mehr schätzen sollten, immerhin war Georgien in Kriege verwickelt, konnte über Flüchtlinge nicht klagen und jetzt, da dies alles der Vergangenheit angehört, kommen endlich die Touristen. Mit einer solchen modernen Gewalt hätten wir jedoch nicht gerechnet.
Doch wer den ersten Blick auf seine gesamte Reise verschwendet, der wird den Blick fürs Detail verlieren!
Bei einem Gang durch die Altstadt öffnet sich das wahre Gesicht. Der Beton weicht den Schluchten. Ein riesiger Canyon zieht sich mitten durch die Stadt, die alten Häuser laden mit ihren bröckelnden Fassaden zu einem nostalgischen Plausch ein und die Schwaden der dampfenden heissen Quellen geben der Stadt ihren Namen: Tiflis – der warme Ort!
So eng lebt die Moderne mit der Geschichte und Natur hier zusammen. Es ist ein Schauspiel, welches man nirgendwo sonst auf der Welt findet.
Zwischen alten Messerschmieden und traditionellen Tanzkursen finden wir Ideen für unsere weiteren Unternehmungen.

Mit unserem Auto geht es hinaus aus der Stadt. Wir verlassen die Hauptstadt und wollen das Land erkunden. Sofort wird klar: Hier scheinen die Fahrtstrecken kurz, sie werden jedoch unheimlich schnell gebremst. Als ob das Land uns ein Zeichen gibt und uns sagt: „Beruhigt eure Herzen, schafft mehr Platz für die Kleinigkeiten der Welt!“
Sofort stoppen uns riesige Herden von Schafen mit ihren Schäfern, die nicht im Traum daran denken für Platz zu schaffen. Die Autos reihen sich auf. Schafstau in Georgien. Nach der Wollbarriere dachte wir uns nun entspannt auf die Fahrt zu begeben, doch wieder die Straße blockiert. Einige Händler ziehen mit ihren Eseln durchs Land. Von Stand zu Stand wird gewandert, der Esel dafür als treuer Gefährte beladen und so erhofft sich der kleine Mann des Staates das er vielleicht einige seiner selbstgemachten „Georgischen Snickers“ (wie er sie scherzhaft nennt), zu verkaufen. Bei uns kommt diese Idee sehr gut an. Die Süßigkeit ist fabelhaft und eigentliche eine getrocknete Traube mit Wahlnussfüllung. Schnell geben wir ihm einige Lari (Währung) und machen uns weiter auf den Weg. Beim dritten Versuch klappt die Anfahrt über die Herrstraße bis hinauf zur Smida Zameba, eine der vielen Kuppelkirchen dieses Landes. Die alte Truppenstraße aus 1863 verlassen, öffnet sich der unendliche Blick in die Bergwelt Georgiens. Der Kasbek als einer der höchsten Berge des Landes ragt gut 5000m empor und lässt alle Stimmen verstummen. Wir lauschen der Leere und erblicken in diesem Bergpanorama die quadratische, georgisch-orthodoxe Kirche. Die Kirche stammt aus dem 14 Jahrhundert, die Christianisierung erfolgte bereits im 4ten Jahrhundert. Doch aller Geschichte Willen... es ist uns egal, denn die Berge und die Umgebung fesseln uns uns berauben uns unseres Verstandes. Der Kasbeg wurde das erste Mal in 1868 bestiegen, doch was die Bergsteiger fanden war nicht laut der Legende Prometheus, sonder Erleuchtung. So schnell die Sicht uns bezaubert, so schnell wechselt das Wetter.
Wir steigen in unser Auto und fahren weiter.
Die Fahrt entwickelt sich als quälend lang, wenn man sie an der Zeit misst, doch die Ausblicke lassen uns die vielen Kilometer auf Asphalt und Schotter vergessen. Wir nehmen jeder Reise, wie sie kommt und nur durch die Länge des Weges, können wir die Reise spüren.
Auf dem Weg in den Bodschomi Nationalpark, wo wir einige Wanderungen unternehmen wollen, halten wir an einer kleinen Unterkunft. Wir sind zu müde um alles an einem Tag zu schaffen. Unser Reiseleiter kennt das Land genau und er weiss, wo es gutes Essen gibt.
Wein wird in Georgien seit 5000 Jahren angebaut. Noch heute lebt jeder Landwirt von seiner eigenen Weinproduktion. Und täglich wird Wein zu jedem Essen getrunken. Fast könnte man meinen man ist in Frankreich, so sehr zelebrieren die Georgier ihre Mahlzeiten. Alle sitzen zusammen, feiern mit uns den Moment, das soziale Erlebnis. Essen ist auch hier ein Kulturgut.
Diese Nacht schlafen wir tief und träumen nichts.
Es ist ein wohltuend gutes Gefühl morgens mit einem ausgeglichenen Geist zu erwachen.

Unser Weg zieht sich in den 85000 Hektar großen Bodschomi Nationalpark. Wir erleben hier die Natur Georgiens. Urlandschaft mit wilden Tieren. Braunbären wie Wölfe sind hier die Herrscher des kleinen Kaukasus. Nur wenige Plätze erscheinen heute noch intakt. Dieser Nationalpark ist ein Beweis der gesunden Natur. Um so tiefer wir diesen Park bereisen, desto mehr wir die Welt gehend erleben, empfinden wir die Entfernung zu Europa nun als angenehm. Nichts wird nebensächlicher als das Leben der Städter. Wie können so viele Menschen nur dem vom Menschen Gemachten verfallen und in der Sicherheit jeder Stadt faulenzen, wenn der Mensch doch hier, aus so einer Landschaft ursprünglich herkommt. Viele haben den Blick für so eine Kulisse bereits verloren, wiegen sich in täglichen Bildern, die uns im TV gezeigt werden, doch würden sie nur einmal so eine Reise unternehmen, ich glaube sie würden ihren Lebensinhalt nochmals hinterfragen.

Mit jedem Schritt erleben wir wie mit den Augen eines Kindes. Wir können noch so gebildet erscheinen, so zwingt uns die Sprachlosigkeit immer wieder in die Knie. Keine ist hier vor der gewaltigen Schönheit der Natur sicher.

Unsere Reise zieht sich dahin und zum ersten Mal erleben wir ein Gefühl der Ankunft in uns. Georgien könnten uns nun in Zeit und Raum verschlucken, wir würden es nicht mal bemerken.

Wie schnell doch meine Worte wieder verstummen. Wir fahren nach unseren Wanderungen weiter durchs Land. Wieder versperren uns Schafe und Esel den Weg, wieder machen sie nur widerwillig Platz mit dem ständigen Lächeln der Hirten im Gesicht. Uns bleibt nichts anderes übrig, als ebenfalls zu lächeln.
In Uplisziche kommen wir nun doch wieder in Berührung mit einer Stadt. Aber keiner Gewöhnlichen. Es ist eine Höhlenstadt aus der Bronzezeit die im 13 Jahrhundert von den Mongolen überfallen wurde. Es gab einen Markt, eine Apotheke, Bäckereien, Lagerhäuser, mächtige Säulen und dies alles in Felsen geschlagen. Ein wahres Spektakel der frühzeitlichen Baukunst. Und von diesen Städten gibt es noch mehr.

Die Tage verschwimmen in einander. Keiner von uns denkt mehr an die Heimat. Die Ferne und Georgien sind nun unser Zuhause geworden. Hier vom Balkon Europas blicken wir in ein unverfälschtes, ursprüngliches Land, welches mit jedem Tag seinen Besuchern vermittelt an einem einmaligen Ort angekommen zu sein.

Mehr Informationen: http://www.travel-and-personality.de/Georgien/erlebnisreisen/die-nahtstelle-eurasiens-entdecken/GEOR

Foto: Fotolia

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen